BAL DU PRINTEMPS 2019 KALISPERA : Die Forschung in Paraplegie im Vordergrund

Unter dem Motto Griechenland typisch und atypisch hat der 21. Bal du Printemps am Donnerstag, 21. März 2019, im Hotel Président Wilson in Genf stattgefunden. Der von der IRP organisierte Genfer Wohltätigkeitsanlass hat 520 Gäste und Prominente vereint und fast CHF 320’000.- gesammelt, für die vom IRP Forschungsrat aus- gewählten Forschungsprojekte in Neurowissenschaften in der Schweiz und auf der Welt. Dies vor allem auch für die von den Profs. Grégoire Courtine und Jocelyne Bloch geleitete klinische Studie STIMO – Stimulation Movement Overground.

Der Höhepunkt des Abends war die Anwesenheit von David Mzee, einer der ersten, der bei der STIMO-Studie teilgenommen hat. Er zeigte auf der Bühne des Hotel Président Wilson, wie er mit dem Rollator gehen kann. Danach erzählte er von seiner unglaublichen Erfahrung, die er im letzten halben Jahr gemacht hat.

Der Anlass fand unter der Schirmherrschaft der griechischen Botschaft und des griechischen Konsulats in Genf und in Anwesenheit von Nana Mouskouri statt. Die Gäste genossen ein vom Küchenchef Michel Roth und Team kreiertes, exzellentes Nachtessen. Die von Auktionator Eric Valdieu durchgeführte Versteigerung, sowie die Lotterie hatten beide das Ziel, Mittel zu generieren, um die vielversprechendsten Projekte in der Paraplegie- forschung zu finanzieren. Am Ende des Abends spielte die Gruppe NONEÏM begleitet vom Sänger Tom Leeb und lud zum Tanzen ein.

Bis zum nächsten Jahr am Samstag, 21. März 2020!

Wie unser Körper die Vibrationen „hört“

Ein Team von Forschern der Universität Genf unter der Leitung von Prof. Daniel Huber hat gezeigt, dass im Gehirn Töne und Vibrationen ähnlich verarbeitet wer- den. Diese, in der Fachzeitschrift Nature publizierten Resultate, legen nahe, dass das Fühlen eines vibrierenden Telefons und es klingeln zu hören, auf erstaunlich vergleichbarer Kodierung beruht. Dies würde auch erklären, wieso die Vibra- tionen manchmal so unangenehm sein können wie Lärmbelästigungen.

Wir kennen alle das Gefühl wenn ein Mobiltelefon bei einem Anruf in unserer Hand vibriert. Damit wir diese Vibrationen so klar wahrnehmen, müssen sie durch ganz bestimmte Rezeptoren in neuronale Signale umgewandelt und schließlich zum Gehirn geschickt werden. Aber wie werden die physikalischen Aspekte einer Vibration verschlüsselt? Um das zu verstehen, haben die Forscher untersucht, was im Gehirn einer Maus passiert, während sie mit den Vorderbeinen Vibrationen wahrnimmt.

Mit dem Einsatz eines hochauflösenden Zwei-Photo- nenmikroskops, ein von der IRP finanziertes Gerät, konnte das Team von Professor Huber die Aktivität von hunderten von Neuronen in der somasensoriellen Grosshirnrinde einer Maus messen, während dessen Pfoten leicht mit verschiedene Frequenzen vibriert wurden. Ähnlich wie im auditorischen Cortex wurden einzelne Nervenzellen sehr selektiv aktiviert: Einige antworteten stark auf eine Frequenz und andere nur auf andere Frequenzen. Jede Nervenzelle scheint Ihre „Lieblingsfrequenz“ zu haben. „Zusätzlich stellte sich heraus, dass diese Neuronen in erster Linie nur durch eine spezifische Kombina- tion von Frequenz und Amplitude aktiviert werden. Verhaltensversuche haben dann auch gezeigt, dass es genau diese Kombination ist, die die Maus wirk- lich wahrnimmt. Anders gesagt, bei einer solchen Kodierung ist es der Maus unmöglich, zwischen einer schwachen Vibration mit hoher Frequenz und einer starken Vibration mit tiefer Frequenz zu unterschei- den“, erklärt Dr. Mario Prsa, Forscher im Team von Daniel Huber und Erstautor dieser Studie. Trotz der Tatsache, dass Töne durch die Luft und Vibrationen durch Materie übermittelt werden und zu- sätzlich beide über sehr verschiedene Sinnesorgane aufgenommen werden, scheinen sie im Gehirn auf ähnliche Weise entschlüsselt zu werden. „Unsere Entdeckungen zeigen vermutlich die Existenz eines alten, sensorischen Kanals auf, der ein evolutionä- rer Vorgänger des Hörens sein könnte.“ Dies würde auch erklären, warum viele Tiere fähig sind, subtile Anzeichen von aufkommenden Naturkatastrophen zu erkennen oder wa- rum Bauarbeiten oder der Verkehr so viel Un- wohlsein verursachen, selbst wenn sie oft nicht hörbar sind.

David Mzee macht das IRP Logo lebendig!

IRP: David, Du warst der 2. Patient in der STIMO- Studie (Stimulation Movement Overground) von den Professoren Bloch & Courtine. Was war Deine Motivation, gleich von Anfang an dabei zu sein?

DM: Ich hatte schon vor langer Zeit von diesem Pro- jekt gehört, als ich 2011 in der Rehabilitation in der Uniklinik Balgrist, Zürich, war. Eines Morgens kam Prof. Armin Curt zu mir und fragte mich, ob ich Dr. Grégoire Courtine kennen lernen möchte. Seit dem Beginn meines Studiums für Bewegungs- und Sportwissenschaften war ich sehr an Forschung interessiert und sagte deshalb sofort zu. Damals forschte Courtine noch in Zürich mit Ratten, wo er mir sein Projekt erklärte. Er war dann auch noch an Fotos von mir im Training interessiert. So begann un- ser Kontakt. Während den letzten Jahren informierte mich Grégoire regelmässig über die Fortschritte in seiner Arbeit, und so bin ich langsam rein gewachsen. Meine Motivation war, dass es eine bahnbrechende Studie ist und, dass sie für mich einen persönlichen Fortschritt bedeuten könnte.

Was für einen Fortschritt hat STIMO in Deinem Leben gebracht?

Für mich war Bewegung immer schon ein Riesending. Deshalb habe ich die Reha noch 2-3 Jahre weiterge- führt, bis ich laut den Ärzten austherapiert war. Heute kann ich wieder aufstehen, wenn ich mich irgendwo halten kann. Mit der Stimulation des Implants kann ich wieder gehen, mit dem Entlastungssystem auch freihändig. Mit dem Rollator kann ich sogar bis zu mehreren Minuten gehen. Dank tollem Crowdfunding eines Freundes habe ich zuhause nun ein Laufband und ein Gewichtsentlas- tungssystem, sodass ich optimal trainieren kann.

Du warst beim diesjährigen Bal du Printemps in Genf auf der Bühne. Wie hast Du diesen speziellen Moment erlebt?

Es war berührend und surreal. Ich war überrascht wie die Leute reagierten, klatschten und aufstanden, während ich auf der Bühne gelaufen bin. Es war mir wichtig, auch mal danke zu sagen!

Was bedeutet Forschung für Dich?

Schon während meinem Studium interessierte ich mich sehr für die Forschung und wurde dafür aus- gebildet. Ich finde es spannend, Neues zu entdecken und bin immer wieder fasziniert, was wir alles wissen und nicht wissen.

BIO EXPRESS

David Mzee ist 1988 in Wetzikon aufge- wachsen. Der Vater ist Kenianer, die Mutter Schweizerin. Gerne hätte er Fussball gespielt, doch da das Geld knapp war, begann er mit Hand- ball und spielte bis zum Unfall. Er hat sportmässig fast alles ausprobiert und auch eine Kampf- kunst-Ausbildung gemacht. Diese Ausbildung half ihm in den ersten Sekunden nach dem Unfall für die Atemtechnik. Als er die Aufnahmeprüfung ans Gymnasium schaffte, liess er die geplante Lehre als Automecha- niker sein. Nach der Matura studierte er Bewegungs- und Sportwissenschaften in Zürich, beendete das Studium nach seinem Unfall und absolvierte den Sportlehrer ETH. Ersterer schloss er als Jahrgangsbester ab! Er arbeitet heute Teilzeit als Sportlehrer in Wetzikon (vermut- lich als 1. Sportlehrer im Rollstuhl) und ist Mitglied des Schweizer Rugby-Nationalteams.

3 SCHLÜSSELDATEN

  • November 2010 Unfall beim Gerätesprung vom Minitrampolin während dem Studium.
  • 19. Oktober 2016 Operation STIMO im CHUV, Lausanne.
  • 16. Dezember 2016 Masterdiplomfeier bei der er als Jahrgangsbester abschloss.

Patrick Freund, IRP Schellenberg Research Prize 2020 träger: “Danke IRP, es ist eine grosse Ehre!”

IRP: Prof. Freund, für welche Grundlagen- arbeiten haben Sie diesen Preis erhalten?
Mit Eric Rouiller und Martin Schwab forschte ich zuerst über Anti-Nogo-A und wir konnten im Affenmodell zeigen, dass die Nerven wieder wachsen können. Danach forschte ich am Queen Square in London im Bereich der Neurobildgebung. Die dort identifizierten MRI Biomarker konnte ich dann in einer Langzeitstudie in Zürich anwenden, bei der wir die neurodegenerativen Veränderungen im Rückenmark und Gehirn bildgebend untersuchen.

Welches Prinzip liegt dem zugrunde?
Unsere Arbeiten haben gezeigt, dass sich das Nervengewebe im Rückenmark unter sowie oberhalb der Querschnittsläsion und auch in den betroffenen Hirnregionen zurückbilden. Ferner wissen wir dank unserer Forschung heute, dass die neurodegenerativen mikrostrukturellen Veränderungen über Jahre nach eingetretenem Trauma fortschreiten.

Welchen Nutzen haben diese Biomarker also?
Ziel ist es, mit MRI-Sequenzen die Veränderungen zu dokumentieren und durch den Vergleich der MRI-Sequenzen vorauszusagen, wie schnell eine Degeneration voranschreitet. So können wir das individuelle Erholungspotential von Patientinnen und Patienten mit Rückenmarksverletzung früh und präzise vorhersagen, denn dieses korreliert direkt mit dem Ausmass dieser neurodegenerativen Veränderungen zu Beginn. Je geringer die Neurodegeneration anfangs ist, desto grösser ist das klinische Erholungspotential. Mit dem Verfahren können wir auch den Effekt eines Antikörpers gegen das wachstumshemmende Nogo-A-Protein nach akuter Rückenmarksverletzung prüfen.

Sie sind Biologe und Arzt, woher kommt Ihr Interesse für die Paraplegiologie?
Es war ein glücklicher Zufall, dass ich als Biologe bei Eric Rouiller und Martin Schwab im Fachgebiet der Paraplegiologie forschen konnte. Und doch bin ich bereits mit dem Thema aufgewachsen, denn ich hatte einen Onkel, der nach einem Unfall querschnittgelähmt war. Als Kind kniff ich ihn immer ins Bein und konnte es nicht glauben, dass er nichts spürte. Noch heute beeindruckt mich der Kontakt mit den paraplegischen Patientinnen und Patienten. Insbesondere schätze ich ihre altruistische Unterstützung bei unseren Forschungsprojekten, die ja eigentlich erst den nachfolgenden Patienten nutzen werden.